In Manisa bahnt sich ein neue Tragödie wie in dem Fall des inzwischen verstorbenen Ahmet Burhan an. Bei dem kleinen Selman Çalışkan wurde vor rund einem Jahr ein Gehirntumor diagnostiziert. Seitdem versucht das Kind gegen seine Krankheit anzukämpfen – ohne seinen Vater.
Von Sevinç Özarslan
(Aus dem Türkischen von Sven Weber)
Rasim Çalışkan ist seit 37 Monaten im Gefängnis von Manisa inhaftiert. Bei seinem 6-jährigen Sohn Selman wurde vor rund einem Jahr Krebs diagnostiziert. Inzwischen ist der Tumor in seinem Gehirn 5 cm groß. Am 28. Juni 2019 hatte die Ärzte den Jungen operiert. Dabei gab es Komplikationen. Seither ist Selman behindert. Es kann seinen linken Arm und sein linkes Bein nicht mehr bewegen. Auch ein Teil seines Gesichts ist gelähmt.
“Therapie wird weitere zwei Jahre dauern”
Die Familie Çalışkan lebt in Manisa. Wegen der Therapien ihres Sohnes müssen sie seit einem Jahr nach Izmir fahren. Selman musste nach seiner Operation 30 Tage lang eine Strahlentherapie machen. Gleichzeitig bekam er auch eine Chemotherapie. Dennoch stellte die Ärzte nach seiner Therapie eine Vergrößerung des Tumors fest. Er soll jetzt ein Medikament bekommen, dass er 2 Jahre lang einnehmen soll. Die Kosten für drei Monate liegen dafür bei 78.000 TL.
Vor einigen Tagen waren sie wieder mit dem kranken Jungen im Krankenhaus gewesen, erzählt die Mutter Emine: “An seinem Fuß wurde eine Ader geöffnet. Er bekam drei Stunden lang ein Medikament. Seine Ader sind empfindlich und deswegen schwoll diese an. Danach mussten sie das Medikament von einer Ander an seiner Hand geben. Nach jeder Chemotherapie hat er drei Tage lang Fieber,” sagt die Mutter.
Überlebenschance von 17 Prozent
“Ihr Sohn hat eine Überlebenschance von 17 Prozent,” sollen die Ärzte der Mutter gesagt haben. Sowohl ihr Sohn und auch ihr Mann haben müssen ihren Kampf alleine ausfechten. Der Vater des Jungen kann in den schwierigen Stunden bei ihm sein. Bei den Telefongesprächen sagt der Vater jedes Mal, dass er keine Kraft mehr habe. Deswegen hat Rasim Çalışkan einen Brief an den Menschenrechtler und Abgeordneten Ömer Faruk Gergerlioğlu (HDP) geschrieben.
Krebs in fortgeschrittenem Stadium
“Um meinen Sohn pflegen zuu können, hat meine Frau ihren Beruf aufgegeben,” schreibt Rasim Çalışkan om seinem Brief vom 1. Mai 2020. Nachdem mein Sohn zwei Wochen in der Intensivstation verbrachte, wurd ins Krankenhaus von Izmir Tepecik verlegt. Zwei Monate nach seiner Operation durfte er seine Therapie zu Hause bis jetzt fortsetzen.
Nur ein Mal seinen Sohn gesehen
In dieser Zeit durfte Rasim Çalışkan seinen Sohn nur ein einziges Mal sehen. Nach der Operation seines Sohnes wurde er in Handschellen bis vor seine Haustür gemacht. 5 Stunden lang durfte er mit seinem Sohn verbringen. Insgesamt 4 Anträge auf Haftaussetzung wegen der Krankheit seines Kindes hat Çalışkan an das Gericht in Manisa bislang gestellt, bislang ohne Erfolg. Der Vater hat auch einen Brief an Präsident Recep Tayyip Erdoğan geschrieben. Eine Antwort blieb bislang aus.
Jede Woche von Manisa nach Izmir
In seinem Brief erzählt Rasim Çalışkan über die Strapazen seines Sohnes und seiner Ehefrau:
“Nach der Operation meines Sohnes mussten sie wegen der Strahlentherapie jeden Tag von Manisa nach Izmir. Danach gab es sechs Monate lang eine Chemotherapie, für die sie ein Mal in der Woche die selbe Strecke fahren mit einem Auto fahren mussten. Die jetzige Therapie soll zwei Jahre dauern. Wir haben kein eigenes Auto. Meine Frau hat keinen Führerschein. Bislang haben Freunde und Nachbarn sie beide dahin gefahren. Wie lange kann das denn so weiter gehen?”
“Meine Frau muss Medikamente wegen Herzmedikamente und Psychopharmaka einnehmen”
Seit drei Jahren lebt der Vater getrennt von seiner Familie. In dieser Zeit musste seine Ehefrau die gesamte Last der Familie alleine tragen, erzählt Çalışkan. “Sie hat keine Einkünfte und muss sich um drei Kinder kümmern, wovon eines schwer behindert ist. Sie muss jede Woche jemanden bitten ihren Kind zur Therapie zu fahren. Sie nimmt inzwischen Medikamente für ihr Herz und ihre Psyche. Gleichzeitig versuche die Mutter ein würdevolles Leben zu führen.
“Ich bin ein Vater, der seit drei Jahren im Gefängnis sitzt und seine Anträge von den Behörden bislang abgelehnt wurden. Ich weiß nicht, was ich noch machen muss. Ich vertraue Ihnen und habe deswegen Ihnen mein Herz ausgeschüttet. Mein angeschlagene Frau und mein kranker Sohn brauchen Hilfe,” schreibt der Vater an den Abgeordneten Gergerlioğlu.
Per Dekret entlassener Lehrer
Nach dem Putschversuch wurde Rasim Çalışkan mit dem Dekret 672 zunächst entlassen und am 17. Mai 2017 wegen Terrordelikten zu 7 Jahren und 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Der Fall liegt beim Kassationshof zur Berufung vor. Bis zu seiner entlassung hatte Çalışkan 17 Jahre lang als Lehrer gearbeitet.
Der Text wurde für die deutsche Übersetzung redaktionell bearbeitet. Das Original finden Sie hier.