Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hat erstmals in aller Deutlichkeit gestanden, dass er den Gerichten Anweisungen erteilt. Dies kam raus, als sich Erdoğan über den Freispruch eines Generalleutnants beschwerte.
Seit dem fragwürdigen Putschversuch vom 15. Juli 2016 wurden Zehntausende Staatsbedienstete per Dekret entlassen. Allein 30.000 Angehörige des türkischen Militär rausgeworfen. Verhaftete Soldaten wurden zwischen sechs Jahren und lebenslanger Haft verurteilt. Für Experten der türkischen Innenpolitik war klar, dass dies Maßnahmen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan waren, um die vollständige Kontrolle über das Militär zu erlangen. Während die Diskussionen darüber weitergehen, hat der AKP-Vorsitzende erstmals offenbart, dass er die Gerichte mit direkten Anweisungen beeinflusst.
Metin Iydil sitzt seit drei Jahren im Gefängnis. Wie in Tausenden anderen Fällen auch wird dem Berufssoldaten vorgeworfen ein Putschist zu sein. Metin Iydil war bereits zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Doch in der Berufung wurde Iydil nun freigesprochen und aus der Haft entlassen.
Mit der Freilassung eines hochrangigen Soldaten ist die These der AKP über den ungeklärten Putschversuch weiter in Verruf geraten. Dabei ist in dem aktuellen Klima der Türkei ein Hinterfragen des 15. Juli de facto tabu. Wer es sich erlaubt, die Echtheit des Putsches vom 15. Juli zu bezweifeln und dies öffentlich auszusprechen, muss mit Strafverfolgung rechnen. Nach der Freilassung von Iydil entfachte die Diskussionen über den Putschversuch erneut. So griff die “unabhängige” türkische Justiz wieder ein und ließ den kürzlich entlassenen Soldaten wieder zurück ins Gefängnis verfrachten.
Freispruch eines Leutnants hat Erdoğan aus der Reserve gelockt
Erdoğan hat vor seiner Anreise zum Libyen-Gipfel in Berlin eine Pressekonferenz veranstaltet. Dabei beschwerte sich der Präsident über die Freilassung von Metin Iydil. “Ein sehr sehr trauriger Schritt der Justiz. Es ist mir ein Rätsel. Wie kann ein Gericht so einen Schritt wagen? Dabei haben wir ihnen in diesen Belangen klare Anweisungen erteilt.”, so Erdoğan über sein großes Erstaunen.
Er wundere sich darüber, dass ein Gericht einen zu lebenslanger Haft verurteilten Soldaten freispricht und sofort freilässt. “Wie kann ein Gericht so etwas entscheiden?”, fragt sich der erfahrene Politiker. “Das ist völlig unverständlich. Ein Dank an unser Justizministerium und Staatsanwälte, die sofort alle Schritte eingeleitet haben und in gemeinsamer Operation mit dem Innenministerium den Betroffenen wieder eingefangen haben.”, so Erdoğan. Jetzt würde er seine normale Strafe wieder absitzen.
Das Märchen mit der unabhängigen Justiz
Das Erdoğan Regime hat in den letzten drei Jahren mehr als fünf Tausend Richter und Staatsanwälte von ihren Ämtern enthoben. Die Hälfte von ihnen wurde festgenommen. Zwei Richter der höchsten türkische Justizbehörde, dem Verfassungsgericht, sind immer noch im Gefängnis. Erdoğan darf seither die Richter für das Kassationsgericht, dem Oberverwaltungsgericht und das Verfassungsgericht ernennen. Aus diesen Gründen ist die Unabhängigkeit türkischer Gerichte anzuzweifeln.