Täglich treten neue Belege ans Tageslicht, die zeigen, dass in der Nacht vom 15. Juli 2016 nicht türkische Soldaten, sondern paramilitärische Milizen die rund 250 Zivilisten auf dem Gewissen haben.
In der Nacht des 15. Juli 2016 haben 256 Bürgerinnen und Bürger der Republik Türkei völlig unschuldig ihr Leben verloren. Einige Opfer des elenden Putschversuchs sind auf besonders grausame Weise gestorben. Doch wie vieles andere, sind auch in Bezug auf den Tod dieser Zivilisten unzählige Fragen weiterhin ungeklärt. Dennoch wird in diesen Belangen keine Aufklärung betrieben. Die angeklagten Soldaten und Anwälte behaupten bei jeder Gelegenheit, dass diese Zivilisten zu Zwecken der Provokation durch anonyme Gestalten ermordet wurden. Das Ziel war es die Bevölkerung gegen das Militär aufzustacheln.
Der Einsatz von Rechtsanwälten hat zuletzt ans Tageslicht geführt, dass die Opfer mit Waffen getötet wurden, die gar nicht zum Inventar des türkischen Militärs gehören. Doch diese Tatsachen wurden durch die Richter einfach ignoriert. Nun kommen weitere Details an die Öffentlichkeit. Demnach wurden einige der Zivilisten aus weiter Entfernung mit Scharfschützengewehren am Nacken getroffen und auf diese Weise getötet. Der in der Aufklärung der Putschnacht spezialisierte türkische Exil-Journalist Adem Yavuz Arslan schreibt in seinem aktuellen Bericht über die toten Zivilisten am Militärflugplatz Akıncı. Dieser Ort wird als Zentrum der Putschisten betrachtet. Der Tod von acht Zivilisten sei hier per Schüsse durch einen oder mehrere Sniper geschehen. An diesem Ort wurden weitere 87 Personen schwer verletzt.
Der Investigativ-Journalist Arslan schreibt, dass laut Anklageschrift die toten Zivilisten aus nächster Nähe erschossen worden sind. Dabei wurden laut Bericht der Anklage automatische Gewehre mit langem Lauf eingesetzt. Die angeklagten Soldaten hingegen behaupten nicht auf die Zivilisten geschossen zu haben.
Laut Autopsiebericht wurden Ömer Takdemir, Samet Cantürk, Hasan Yılmaz, Emrah Sapa, Ali Anar durch Schüsse hinter dem Kopf und Yasin Yılmaz durch das Eindringen einer Kugel am rechten Ohr getötet.
“Wie konnten diese Zivilisten am Nacken getroffen werden?”
Adem Yavuz Arslan erinnert in seinem Artikel an die öffentlichen Bilder vom Militärflugplatz Akıncı. “Die Soldaten waren am Militärflugplatz in einer Reihe nebeneinander aufgestellt. Die Zivilisten hingegen sind vom Tor zum Flugplatz reingekommen. Sie standen sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Die Entfernung war geringer als 5 Meter. Es gab sogar einen Wortaustausch zwischen Soldaten und Bürgern. Wie können diese Zivilisten in dieser Situation am Nackenbereich erschossen worden sein?”, stellt Arslan die entscheidende Frage in seinem Beitrag.
Der erste Einfall könne sein, dass die Zivilisten im Tumulte wieder zurückgelaufen sind und die Soldaten das Feuer eröffnet haben. Doch der Autopsiebericht zeige keine zufälligen Einschusslöcher, sondern sehr präzise Treffer. Wenn es so wäre, wie im Bericht des Staatsanwalts erwähnt, müssten auf den Körpern der toten Zivilisten viel mehr Schusswunden an unterschiedlichen Stellen ihrer Körper zu sehen sein. Doch bis auf einige wenige wurden alle Opfer am Hinterkopf und am Nacken getroffen.
Schüsse von Scharfschützen in Audioaufzeichnungen zu hören
Die Soldaten sagen, dass sie zwar ein Warnfeuer in die Luft eröffnet, aber nicht auf die Zivilisten gezielt hätten. Diese seien laut den Angeklagten von anderen ermordet worden, um eine Provokation zu erzeugen und die Bürger gegen die Soldaten aufzustacheln. Augenzeugen bestätigen die Variante der Soldaten. Sie wollen gehört haben, dass die Soldaten Warnung ausgesprochen haben. “Wenn die Gruppe sich nicht auflöst, würden sie zunächst Warnschüsse abgeben und wenn sich die Gruppe auch dann nicht auflöst, würden sie auf die Füße zielen”, so Augenzeugen der Situation am Militärflugplatz.
Die Angeklagten haben sogar Audioaufzeichnungen von dem Tatort vorgespielt. Laut ihnen sind dort die Schüsse eines Scharfschützengewehres zu hören. Doch der Richter hat ihre Forderung nach einer Ermittlung gegen diese Sniper abgelehnt.
Dass das Gericht trotz so eindeutiger Widersprüche keine Intervention einleitet, ist mehr als fragwürdig. Denn acht von sechs Opfern wurden durch zielgerichtete Schüsse im Kopfbereich getötet. Doch das Gericht verweigert trotz dessen die Aufklärung der Geschehnisse in jener Nacht.